Auch ohne einen direkten aktuellen Anlass muss über das Thema „Neuheidentum und Nationalsozialismus“ mindestens einmal auf dieser Seite gesprochen werden, denn es gibt selbst bei den Aufgeschlossenen und Unvoreingenommenen so manche Mutmaßungen dazu.
Ich beziehe mich im Folgenden auf das profunde Buch des britischen Historikers, Religionswissenschaftlers und früheren Direktors des Exeter Centre for the Study of Esotericism
Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus.
In Großbritannien ist das Buch schon 1985 erschienen, aber erst seit 1997 ist es auch auf Deutsch erhältlich!
Nationalsozialismus und Neuheidentum
Die nationalsozialistische Bewegung hat sich in ihrem Erscheinungsbild und ihren Reden kräftig bei der germanischen Mythologie und den Runen bedient, das weiß jeder. Hitler selbst hatte in seinen frühen Jahren Kontakte zu esoterischen Gruppen, das ist ebenfalls ziemlich bekannt. Er unterhielt diese Kontakte aber ausschließlich in seinen frühen Jahren, später nicht mehr, er war ein Machtmensch, kein Mystiker oder Magier. Der Geistliche, Publizist, Ariosoph und Hochstapler Jörg Lanz (genannt „von Liebenfels“) inszenierte sich von den 1920er Jahren an bis weit in die Nachkriegszeit als Ideengeber und Wegbereiter Hitlers, was aber von der neueren Forschung (Joachim Fest u.a.) eher skeptisch beurteilt wird. Lans` Karriere im Nationalsozialismus war außerdem 1941 schon beendet, er erhielt Publikationsverbot.
Derjenige in der NS-Führungsriege, der magischem und esoterischem Gedankengut am stärksten zuneigte, war Himmler. Er selbst verfügte aber über keine spirituelle Grundbildung, er hielt sich dafür einen privaten „Magus“, Karl Maria Wiligut alias Weisthor. Doch auch dessen Karriere im Rasse- und Siedlungshauptamt und sein Einfluss auf die Bewegung blieben begrenzt, weil er 1939 aus der SS austreten musste, als sein Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt (1924-1927) sowie sein Alkohol- und Medikamentenmissbrauch bekannt wurden. Die Rituale, die bei der SS zelebriert wurden, hatte im Wesentlichen er gestaltet. Nach dem, was wir über die Ritualpraxis der SS wissen, war und blieb sie aber in magischer Hinsicht dürftig.
Zusammenfassend kann man sagen, dass nach der Machtergreifung auch die naturreligiösen, völkisch-okkultistischen, nordisch-religiösen, etc. Gruppen ausgeschaltet wurden. Ihre führenden Mitglieder wurden kaltgestellt, Repressalien ausgesetzt, eingesperrt, verleumdet, sofern sie nicht in die NSDAP eintraten. Und die, die eingetreten sind, brachten es in der Partei nicht zu nennenswertem Einfluss.
Die Mitglieder all dieser Gruppen sind nicht durch aktiven Widerstand hervorgetreten, sie nahmen aber auch keine besondere Unterstützerrolle im Nationalsozialismus ein. Sie verhielten sich genauso wie die Mitglieder vieler anderer Gruppen auch: sie versuchten unauffällig zu bleiben.
In den Anfangsjahren der Bundesrepublik hat seitens Splittergruppen mit nationalsozialistischem Weltbild nochmal Bemühungen gegeben, sich mit kleinen völkisch-paganen Gruppen zusammenzutun. Es ist nichts von historischer Relevanz daraus entstanden, die Zeit ist darüber hinweggegangen. Und für die Rechtsextremisten in ihren heutigen Erscheinungs- und Organisationsformen ist der aller größte Teil der neuheidnische Szene nicht brauchbar, sie denkt nämlich eher basisdemokratisch und ökologisch, sie bevorzugt, wenn es um Organisationen geht, äußerst flache Hierarchien.
Siehe auch ausführlich bei wikipedia:
Lanz von Liebenfels:
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Lanz_von_Liebenfels
und Karl Maria Wiligut:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Maria_Wiligut